Globale Gesundheitspolitik – ein öffentlicher Auftrag statt Interessenpolitik

Sylvia Gabelmann, MdB ist Mitglied im Unterausschuss für Globale Gesundheit. Dieser Artikel wurde im observer gesundheit veröffentlicht.

Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“. Gesundheit ist darüber hinaus ein Menschenrecht. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 heißt es: „Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung,Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen“. Um diesem umfassenden Anspruch auf Gesundheit und Wohl für alle gerecht zu werden, bedarf es eines globalen Ansatzes von Gesundheitspolitik. Im dritten UN-Entwicklungsziel der Agenda 2030 ist dies ebenso festgehalten.

In der globalisierten Welt von heute sind Lebens- und Gesundheitschancen sowie Krankheitsrisiken zwischen Staaten, aber auch innerhalb von Staaten weiterhin sehr ungleich verteilt. Waren- und Finanzströme, Spar- und Privatisierungspolitiken, Kriege, die Folgen von Klimawandel und Umweltzerstörung machen einen globalen Ansatz zur Herstellung gleichwertiger und hoher Gesundheitsbedingungen Aller unabdingbar.Daher gilt es die traditionelle Begrenzung der Gesundheitspolitik auf nationale Strukturen zu überwinden.So ist es folgerichtig, dass die Bundesregierung den Unterausschuss Globale Gesundheit – angesiedelt an das Bundesministerium für Gesundheit –  in dieser Legislaturperiode ins Leben gerufen hat. Zweck ist es eine übergreifende Zusammenarbeit der beteiligten parlamentarischen Gremien zu erleichtern, um insbesondere neuen gesundheitlichen Herausforderungen etwa durch Migrationsbewegungen gerecht zu werden und grenzüberschreitenden Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Ebola, aber auch dem Problem der Antibiotikaresistenzen zu begegnen.

Derzeit überarbeitet die Bundesregierung unter Einbindung verschiedener Ministerien, wie dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, die deutsche Strategie zu globaler Gesundheit von 2013. Im dazugehörigen Konsultationsprozess mit Teilnehmer*innen aus Wissenschaft,Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Jugend betont sie ebenso wie Ministeriumsvertreter*innen im Unterausschuss stets die Rolle der WHO als legitimiertes Leitungs- und Koordinierungsorgan. Zwar strebt sie eine Reform dieser inzwischen stark vermachteten Institution an, bleibt in Frage nach der Umsetzung aber weitgehend vage.

Die WHO hat in den letzten Jahren eine starke Abhängig von privaten Gebern entwickelt, was sich auf ihre Unabhängigkeit ausgewirkt hat. Der überwiegende Teil der finanziellen Beiträge für die WHO, nämlich 80 Prozent,sind freiwillig erbrachte Beiträge, die einem bestimmten von den Gebern festgelegten Projekt zugeordnet werden. Private Geber haben so einen erheblichen Einfluss auf die Prioritätensetzung in der globalen Gesundheit, die häufig nicht in erster Linie am Bedarf orientiert ist. Dieser Zustand führt unter anderem dazu, dass seltene und somit für die Pharmaindustrie unprofitable Krankheiten ignoriert werden.

Größter privater Sponsor der WHO ist die Bill und Melinda Gates Stiftung. In Vorstand der Stiftung sitzen Vertreter zahlreicher internationaler Pharmaunternehmen. In der Vergangenheit geriet die WHO immer wieder aufgrund von Verstrickungen mit der Pharmaindustrie in die Kritik. So hatten einige Experten in verschiedenen Kommissionen zur Erarbeitung von Richtlinien, Kontakte zu Pharmaunternehmen und wurden von diesen während ihrer Tätigkeit für die WHO für Vorträge oder Beratungen bezahlt.

Der Unterausschuss muss sich dieser Probleme annehmen: Unbezahlbare Preise und Forschungslücken bei akut benötigten Impfstoffen und Medikamenten sind enorme globale Probleme. Hier wird deutlich, wie sich medizinische Forschung und Entwicklung stark an kommerziellen Aspekten orientiert. Ziel muss es sein, eine kooperative und transparente Forschung zu entwickeln, die dringend benötigte und allgemein bezahlbare Präparate für die globale Gesundheit hervorbringt.

Ferner ist die weltweite Stärkung von Gesundheitssystemen ein wichtiges Ziel der Bundesregierung zur Erfüllung des dritten UN-Entwicklungsziels „Gesundheit und Wohlergehen“. Dieser Ansatz ist wertvoll, aber als vorrangige Maßnahme nicht ausreichend. Individuelle Gesundheitschancen sind abhängig von gesellschaftlichen Bedingungen und sozialem Status. Viele Erkrankungen wie Tuberkulose treten armutsbedingt auf. Selbst in Ländern mit vergleichsweise hohen sozialen Sicherungssystemen wie Deutschland haben einkommensschwächere Schichten deutlich niedrigere Lebenserwartungen. Ohne die Berücksichtigung sozialer, politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, wie Lebensumstände und Verteilungsfragen, werden sich Gesundheitszustände nicht nachhaltig verbessern.

Es ist eine Chance des Unterausschusses dazu beizutragen, das universelle Menschenrecht auf Gesundheit umfassend und unter Einschluss zivilgesellschaftlicher Akteure zu fördern. Dazu muss er insbesondere die sozialen Determinanten von Gesundheit berücksichtigen und eine Reform der WHO unterstützen statt vielfach interessengeleiteter Entwicklungspolitik Vorschub zu leisten. Andernfalls wird er seinem öffentlichen Auftrag nicht gerecht.

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