Quelle: ZDF heute, von André Madaus
Bisher heißt es: Erst Psychologie studieren, dann die Ausbildung zum Psychotherapeuten. Das soll sich bald ändern. Worum es geht.
Der Bundestag berät am Abend in erster Lesung über die geplante Reform der Psychotherapeutenausbildung. Wenn es nach Jens Spahn ginge, wird das Gesetz, das Ende Februar vom Bundeskabinett gebilligt wurde, noch in diesem Jahr verabschiedet. Dann könnte der neue Studiengang schon im Wintersemester 2020 an den Start gehen. Der Bundesrat, der dem Gesetz zustimmen muss, sieht noch Änderungsbedarf und hat gerade erst eine Verschiebung um ein Jahr vorgeschlagen. Worum geht es genau? Ein Überblick:
Wie funktioniert die Ausbildung von Psychotherapeuten aktuell?
Psychiater, Fachärzte für Psychotherapie und Psychotherapeuten, diese Bezeichnungen werden oft gleichbedeutend verwendet. Dabei handelt es sich um verschiedene Berufsgruppen. Ärzte erwerben ihre psychotherapeutische Qualifikation im Rahmen ihrer Facharzt-Weiterbildung: Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (bis 2003: Fachärzte für Psychotherapeutische Medizin) und Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Aber es gibt auch Psychologische Psychotherapeuten (PP), also Psychologie- oder Pädagogik-Studierende, die erst nach fünf Jahren Studium und mindestens dreijähriger Zusatzausbildung die Approbation zum Psychotherapeuten erhalten. Psychologische Psychotherapeuten spezialisieren sich in der Weiterbildung auf ein zugelassenes Verfahren wie z.B. Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse. Im Unterschied zu den Ärztlichen Psychotherapeuten dürfen sie keine Psychopharmaka verschreiben.
Warum soll die Ausbildung reformiert werden?
Für Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) schreibt der Gesetzgeber seit 1999 insgesamt 1.800 Stunden Fachpraktika vor, davon 1.200 in einer psychiatrischen klinischen Einrichtung. Während ihrer mindestens eineinhalb Jahre dauernden, berufsbegleitenden Ausbildung an einem universitären oder staatlich anerkannten, privaten Institut haben PiA keinen Anspruch auf Vergütung. Gleichzeitig tragen sie die Kosten von bis zu 30.000 Euro für die Ausbildung selbst.
Mit dem neuen Gesetz soll ein eigenständiger Studiengang “Psychotherapie” eingeführt werden (dreijähriges Bachelor- und zweijähriges Masterstudium). Wer die abschließende staatliche Prüfung besteht, erhält die psychotherapeutische Approbation und kann bereits während der anschließenden Weiterbildung in stationären und ambulanten Einrichtungen Patienten behandeln und Geld verdienen. Gleichzeitig können sich die Absolventen zu Fachpsychotherapeuten entweder für Erwachsene oder für Kinder und Jugendliche spezialisieren und ein psychotherapeutisches Verfahren wählen. Zum Beispiel die Verhaltenstherapie oder das tiefenpsychologische Verfahren.
Was sagen Mediziner und Betroffenen-Verbände?
Die Bundesärztekammer (BÄK) lehnt das Gesetz ab. Sie kritisiert u.a. die neue Berufsbezeichnung “Psychotherapeut”, da diese “zu einer Täuschung der Patienten” führe. Es sei damit für Patienten nicht mehr erkennbar, welche Qualifikation hinter der Anwendung psychotherapeutischer Verfahren stehe: ein medizinisches Studium oder das neue, psychotherapeutische Studium.
Die Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen von der Medizin und Psychologie abzulösen und sie einer Parallelversorgung zuzuführen, bedeutet ein beispielloses Experiment und einen folgenschweren Tabubruch für das deutsche Gesundheitssystem.
Presseerklärung der DGPPN, BApK und NetzG
Im Januar hatten auch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK) und das Bundesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit (NetzG) den Referentenentwurf deutlich kritisiert. “Die Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen von der Medizin und Psychologie abzulösen und sie einer Parallelversorgung zuzuführen, bedeutet ein beispielloses Experiment und einen folgenschweren Tabubruch für das deutsche Gesundheitssystem”, hieß es in einer gemeinsamen Presseerklärung.
Was sagen die Psychotherapeuten selbst?
Die Patientensicherheit ist bei Psychotherapeuten durch ihre umfassende Ausbildung und durch das Sozial- und Berufsrecht heute auf hohem Niveau gesichert. Die Reform ändert daran nichts.
BPtK-Präsident Dietrich Munz
Von der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) gab es Lob für die geplante Reform. Sie sei “wegweisend”, sagte BPtK-Präsident Dietrich Munz. “Die Patientensicherheit ist bei Psychotherapeuten durch ihre umfassende Ausbildung und durch das Sozial- und Berufsrecht heute auf hohem Niveau gesichert. Die Reform ändert daran nichts.”, sagte er Ende Februar. Der bisherige Sonderweg, der den Zugang zur Ausbildung ungenügend regele und den Nachwuchs in eine prekäre Lebenslage zwinge, werde beendet, so Munz. Nachbesserungsbedarf sieht die BPtK vor allem bei der finanziellen Förderung der ambulanten Weiterbildung nach dem Studium. Trotz voller Arbeitsleistung beträge die durchschnittliche Entschädigung pro Monat 400 bis 500 Euro. Das sei ein wesentlicher Grund für die Reform der Psychotherapeuten-Ausbildung.
Wie haben sich die Oppositionsparteien positioniert?
Offenbar will Jens Spahn der wichtigen Debatte um die Ausbildungsinhalte und erst recht um die Gretchenfrage der Weiterbildungsfinanzierung aus dem Weg gehen.
Sylvia Gabelmann, die Linke
Grüne und Linke begrüßen grundsätzlich eine Reform der Psychotherapeutenausbildung. Beide Parteien sehen aber auch erhebliche Mängel am vorliegenden Entwurf, insbesondere was die Finanzierung angeht. Die Linken-Expertin für Patientenrechte Sylvia Gabelmann wirft Jens Spahn vor, er wolle “der wichtigen Debatte um die Ausbildungsinhalte und erst recht um die Gretchenfrage der Weiterbildungsfinanzierung aus dem Weg gehen”.
Die Grünen schlagen eine Zusatzfinanzierung der ambulanten Weiterbildung analog zur Förderung der Weiterbildung von Hausärzten vor. Beide Parteien vermissen Übergangsregelungen für bereits in der Psychotherapeutenausbildung stehende Hochschulabsolventen sowie für Jahrgänge, die ihre Ausbildung noch nach altem Recht absolvieren werden.