Redebeitrag MdB Sylvia Gabelmann, Gedenktag für verstorbene Drogengebraucherinnen und Drogengebraucher in Siegen am 21. Juli 2019
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Anwesende,
ich freue mich sehr, an Eurer Kundgebung teilnehmen zu dürfen, obwohl es zugleich ein trauriger Anlass ist, aufgrund dessen wir uns hier versammelt haben. Gemeinsam wollen wir heute im Rahmen des Internationalen Gedenktages für die verstorbenen Drogengebraucherinnen und Drogengebraucher an die Menschen erinnern, die uns verlassen haben. Viele von Euch haben Menschen verloren, die ihnen viel bedeutet haben und noch immer viel bedeuten. Sie mögen vielleicht nicht mehr unter uns weilen, vergessen sind sie deshalb jedoch keineswegs.
Der heutige Gedenktag geht auf den Tod des jungen Drogengebrauchers Ingo Marten zurück, der am 21. Juli 1994 in Gladbeck verstarb. Seiner Mutter gelang es infolge dessen unter Mithilfe der Stadt eine Gedenkstätte für ihren Sohn und andere verstorbene Drogengebraucher zu installieren, der in den nächsten Jahren weitere Orte der Erinnerung und Mahnung in anderen Städten folgten.
Der Internationale Gedenktag ist jedoch nicht nur ein Tag der Trauer. Er ist auch ein Tag der Anklage. Ich will erinnern, alleine im letzten Jahr verstarben in der Bundesrepublik erneut 1.276 Menschen an den Folgen des Konsums Illegalisierter Drogen. 191 Menschen – und damit satte 14 Prozent mehr als 2017 – kamen 2018 alleine in Berlin ums Leben. Jede und jeder Tote sind dabei nicht nur eine oder einer zu viel, sondern eben auch eine Anklage an die bisher betriebene und ideologisch motivierte Politik der Kriminalisierung, Ausgrenzung und unterlassenen Hilfeleistung.
Als Konsequenz daraus brauchen wir endlich eine radikale Umkehr in der Drogenpolitik. Staatliche Repression, Kriminalisierung und gesellschaftliche Ausgrenzung müssen abgelöst werden durch eine akzeptierende Drogenpolitik, die auf realistische Hilfsangebote, gute medizinische Versorgung und Prävention setzt.
Wir brauchen aber nicht nur ein radikales Umdenken in der Strafrechtspolitik, sondern auch einen radikalen gesellschaftlichen Mentalitätswechsel. Menschen in Not ist zu helfen. Punkt. Daran gibt es nichts zu rütteln. Und so halte ich es für völlig selbstverständlich, Menschen in schwierigen Lebenslagen, zu denen zweifelsohne auch Konsumentinnen und Konsumenten sogenannter harter Drogen gehören, zu helfen und mit ihnen solidarisch zu sein. Das verlangt der menschliche Anstand und da ist bei vielen Politikerinnen und Politikern noch deutlich Luft nach oben.
Ganz konkret fordert meine Partei, DIE LINKE, daher, die Arbeit der Drogenberatungsstellen besser auszufinanzieren, mehr Druckräume zu eröffnen und auch mehr zielgerichtete Hilfsangebote zu schaffen, in denen vor allem die medizinische Versorgung von Drogengebraucherinnen und Drogengebrauchern den Schwerpunkt bildet.
Einen ersten Anlauf in diese Richtung unternimmt aktuell der Berliner Senat, der gerade Konzepte erarbeiten lässt, damit Besucherinnen von Besucher von Berliner Clubs zukünftig die Möglichkeit haben, ihre Drogen straffrei auf Verunreinigungen untersuchen zu lassen. Dieses sogenannte „Drug-Checking“ schützt ganz konkret Menschenleben und es ist eine Schande, dass Drogengebraucherinnen und -gebraucher erst jetzt und auch nur in Berlin endlich die Möglichkeit bekommen sollen, sich vor Überdosierungen und unter Umständen tödlichen Verunreinigungen zu schützen. In anderen europäischen Ländern ist „Drug-Checking“ seit Jahren Alltag. Das beweist einmal mehr: Deutschland ist ein drogenpolitisches Entwicklungsland.
Bundesweit steht der Gedenktag in diesem Jahr unter dem Motto „Gesundheit und Überleben gibt es nicht zum Nulltarif“. Von daher ist es selbstverständlich, dass in Prävention und Gesundheit deutlich mehr investiert werden muss. Ich weiß diesbezüglich genau, wovon ich rede: Ich bin ausgebildete Apothekerin und Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestages. Und in dieser Funktion überbringe ich Euch auch die solidarischen Grüße meiner Fraktion. Zugleich will ich die Gelegenheit nutzen und mich herzlich bedanken. Zum einen bei den vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Drogenberatungsstellen, Hilfseinrichtungen und der lokalen AIDS-Hilfen. Zum anderen aber auch bei Euch, den Betroffenen. Ich danke Euch, dass Ihr Euch trotz Eures keineswegs einfachen Alltags und den daraus resultierenden vielen Problemen gesellschaftspolitisch einmischt und für Eure Rechte kämpft! Ihr findet mich an Eurer Seite! Vielen Dank.
(Es gilt das gesprochene Wort!)