Stellungnahme von Sylvia Gabelmann zum Referentenentwurf einer Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
Nachdem das Gesetz zur Reform der Psychotherapeut*innenausbildung mit gravierenden Regelungslücken und nur halbherzigen Finanzierungs- und Übergangsregelungen für die prekär beschäftigten Psychotherapeut*innen in Ausbildung verabschiedet wurde, reicht das Gesundheitsministerium unter Jens Spahn nun die Approbationsordnung für den neu geschaffenen Direktstudiengang nach. Aufbauend auf der neuesten Fassung des BMG vom 20.12.2019 (Bundesrat-Drucksache 670/19) wird am 14. Februar 2020 im Bundesrat abgestimmt.
Ebenso wie die Reform des Ausbildungssystems als Ganzem kommt die Approbationsordnung viel zu spät. Sie hätte gemeinsam mit dem Ausbildungsreformgesetz der Öffentlichkeit vorgelegt und diskutiert werden müssen.
Während in der Ausbildungsreform die Forderungen nach belastbaren Übergangsregelungen und Finanzierungsmodellen für den ambulanten Teil der Ausbildung ignoriert wurden, werden nun mit der Approbationsordnung auch die Rufe nach Vielfalt im Studium ignoriert. Und das, obwohl Verbände aller Verfahren – einschließlich der Verhaltenstherapie – die fehlenden Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfahrensvielfalt kritisiert haben.
Zwar werden in den „Allgemeinen Bestimmungen“ der Approbationsordnung noch weitgehend die Ziele des PsychThG übernommen, doch die konkrete Ausgestaltung des Psychotherapiestudiums weicht z.T. erheblich von den gesetzlichen Vorgaben ab. Bei der Ausformulierung der Inhalte des Psychotherapiestudiums, insbesondere den Prüfungsinhalten, ist nicht ersichtlich, wie den Studierenden Kenntnisse und Kompetenzen in allen wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren vermittelt werden sollen. Da diese Kenntnisse notwendig sind, um eine Diagnose und die Auswahl eines der wissenschaftlich anerkannten Behandlungsverfahren einschließlich der Aufklärung des Patienten und der Feststellung seiner Präferenz für ein Verfahren vornehmen zu können, schränkt die Approbationsordnung in der aktuellen Form faktisch die Patient*innenrechte ein.
Ich teile die Forderung des 25. Deutschen Psychotherapeutentages, dass alle vier Grundorientierungen der Psychotherapie – verhaltenstherapeutisch, psychodynamisch, systemisch und humanistisch – mit Strukturqualität im Studium gelehrt werden müssen. Derzeit sind jedoch alle Lehrstühle in klinischer Psychologie an staatlichen Hochschulen bis auf eine Ausnahme mit Verhaltenstherapeut*innen besetzt. Damit „den Studierenden die unterschiedlichen psychotherapeutischen Verfahren und Methoden bis zum Ende des Studiums hin in ihren Grundzügen bekannt“ sind, wie die Approbationsordnung vorgibt, müssten im Sinne einer pluralen Psychologie und Psychotherapie Lehrstühle, gezielte Förderungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Hochschulambulanzen für die bislang marginalisierten Verfahren geschaffen werden.
Außerdem sollten Kapazitäten für die Auseinandersetzung mit Kritischer Psychologie, Politischer Psychologie, analytischer Sozialpsychologie und (queer-)feministischer Psychologie innerhalb der Grundlagen der Psychologie geschaffen werden. Insgesamt sind qualitative Methoden, kritische Reflexion und gesellschaftliche Einbettung im Studium zu stärken. Dazu gehören auch die Auseinandersetzung mit Psychiatriekritik und die Reflexion der gesellschaftlichen Ursachen für psychische Auffälligkeiten.
Psychische Erkrankungen haben nicht nur individuelle Ursachen, sondern sind im Zusammenhang mit sozialen und gesellschaftlichen Ursachen zu sehen. Prekäre Lebensverhältnisse, Stress am Arbeitsplatz, in der Universität, der Ausbildung oder in der Schule und eine zunehmend krisenhafte gesellschaftliche Entwicklung wirken sich auf die individuelle Gesundheit und insbesondere die psychische Gesundheit aus. Daher ist ein gesellschaftskritisches Verständnis von Psychologie und Psychotherapie vonnöten, das die gesellschaftspolitischen Kontexte und ihre Bedeutung für die Entstehung psychischer Beeinträchtigungen zu verstehen und zu verändern versucht. In Ergänzung zum kurativen Ansatz kommen bei einer kritischen, pluralen und transformativen Psychologie dringend notwendige präventive Handlungsperspektiven hinzu. Das gilt es zu stärken.