Offener Brief
Coronavirus-Pandemie: Globale Solidarität dringend erforderlich!
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
Gesundheit ist ein Menschenrecht, auch in Krisenzeiten. Seit Ausbruch von SARS-CoV-2 befindet sich die Weltgemeinschaft in einer Situation mit bisher unbekannter Dynamik. Weltweit geraten Gesundheitssysteme an ihre Grenzen oder kollabieren. Menschen haben Angst um Familie, Freunde und Nachbarn, um ihren Arbeitsplatz und um ihre Zukunft. Die spürbar zunehmende Unsicherheit vieler betrifft auch medizinische Fragen: Wann wird es eine gezielte Behandlung geben, die Leben rettet,und Impfstoffe, die uns gegen das Virus schützen? Stehen genügend Behandlungskapazitäten zur Verfügung? Wird sich Jede und Jeder die notwendige medizinische Versorgung überhaupt leisten können?
Bundespräsident Steinmeier sagte am 16. März: „Viren haben keine Staatsangehörigkeit. Genauso wird das Gegenmittel keine Staatsangehörigkeit haben.“ Diese Aussage ist klar und eindrücklich. Die derzeitigen Entwicklungen laufen jedoch leider in die entgegengesetzte Richtung. Medizinische Schutzkleidung wird stellenweise nur noch für den eigenen nationalen Bedarf produziert und gehortet. Manche Regierungen versuchen sich bereits jetzt einen exklusiven Zugang zu erfolgsversprechenden Medikamenten und Impfstoffen zu sichern. Pharmakonzerne blockieren aus Profitinteresse durch Patente die rasche weltweite Produktion von Impfstoffen, den Zugang zu Medikamenten und Schnelltests. Das vorherrschende Credo scheint zu sein: Unsolidarisches Verhalten lohnt sich, am Ende gewinnen die Stärkeren! Entsprechend bleiben die Schwächsten und Benachteiligten und insbesondere Menschen in ärmeren Ländern auf der Strecke. Das können und wollen wir nicht akzeptieren.
Wir appellieren daher an Sie: Nutzen Sie die Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, um sicherzustellen, dass dringend erforderliche Medikamente und Impfstoffe weltweit allen Menschen zu einem bezahlbaren Preis zur Verfügung stehen. Setzen Sie sich dafür ein, dass der Zugang zu dringend benötigter Schutzkleidung nicht durch Exportbeschränkungen begrenzt wird und dass medizinische Materialien global dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Unterstützen Sie ärmere Länder gezielt und direkt mit finanziellen Mitteln und technischer Expertise bei der Bewältigung dieser Pandemie. Nur wenn die Übertragung des Virus global verlangsamt, und nur wenn der Zusammenbruch von Versorgungssystemen vermieden wird, kann die Krise gemeistert werden.
Nehmen Sie bei Ihrem politischen Handeln gegen COVID-19 auch und gerade die Gesundheit und den Schutz der Schwächsten und Benachteiligten in den Fokus: Beispielsweise Menschen ohne Obdach, Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität in Deutschland und Europa, Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen und andernorts, Menschen, die auf beengtem Raum zusammenleben und deshalb die erforderlichen Abstandsregeln nicht einhalten können, wie Kinder in Slums oder Flüchtlingslagern, oder Menschen im Strafvollzug. All diese Menschen und viele weitere marginalisierte Gruppen werden von dieser globalen Krise besonders getroffen und brauchen jetzt unser solidarisches Handeln. Egoistische Interessen von Staaten oder Gewinnerwartungen von Firmen dürfen nicht über das Leben von Menschen gestellt werden.Setzen Sie sich jetzt für globale Solidarität ein. COVID-19 ist eine Herausforderung, die nur grenzübergreifend und gemeinsam bewältigt werden kann. Ein entschlossenes Handeln kann als Vorbild für eine gerechtere künftige globale Zusammenarbeit für Gesundheit dienen.
- Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Offenen Briefes, zu denen auch MdB Sylvia Gabelmann gehört, finden sich hier. Der Brief wurde bereits am 30. April dem Bundeskanzleramt übergeben.